Neubeginn

Die Wohnungsnot der unmittelbaren Nachkriegszeit war in Ulm unbeschreiblich. Nur 46 % des Wohnraumes waren noch bewohnbar. Rasches Handeln war bitter notwendig: In den schwer beschädigten Gebäuden Goethestraße 24, Martinstraße 6 sowie Parlerstraße 5 und 7 lebten Familien unter Lebensgefahr und ohne Genehmigung. In der Goethestraße 14 lebten fünf Familien, obwohl das Haus kein Dach mehr besaß. Sie hatten aus alten Blechen ein Notdach errichtet.

Die Organisation der Genossenschaft blieb vom Kriegsende ebenfalls nicht unbeeinflusst. Am 5. Juli 1945 wurde das bisherige Leitungsteam abberufen. Zum Übergangsvorstand wurden die beiden erfahrenen Mitglieder Franz Kuchler und Heinrich Friedrich benannt. Neu hinzu kam der spätere Landtagsabgeordnete und ein Gründungsmitglied der Ulmer CDU, Franz Wiedemeier.

Er nahm das Heft in die Hand und befürwortete die Gründung von Selbsthilfetrupps, um Trümmer rasch räumen und Instandsetzungsmaßnahmen durchführen zu können. Durch eine Priorisierung wurden zunächst nur die leicht beschädigten Wohnungen hergerichtet, um sie rasch bewohnbar zu machen. Die Situation war verfahren: „Für die Instandsetzung und den Wiederaufbau von fliegergeschädigten Wohngebäuden ist es z. Zt. ungeheuer erschwert, Holz, Zement und sonstiges Baumaterial zu beschaffen sowie Handwerker zu bekommen. Glas gibt es bis auf weiteres keines."

Bis 1947 verbesserte sich die Lage langsam. Das Jahr markiert den Beginn des geordneten Wiederaufbaus der genossenschaftlichen Liegenschaften. Am 29. Mai fand die erste Nachkriegsgeneralsversammlung im Bräustüble statt. Eine wichtige Frage der Zeit war, ob die Verschmelzung der fünf Genossenschaften von 1940 nun wieder rückgängig gemacht werden sollte. Trotz der Zwangsvereinigung bestanden die einzelnen Identitäten der Genossenschaften weiter fort. Die ulmer heimstätte war eine heterogene Vereinigung, zusammengesetzt aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsgruppen. Angesichts der großen Zerstörungen und der anstehenden Aufgaben setzten sich aber die Verfechter der vereinigten Genossenschaft durch. Eine Aufspaltung war vom Tisch. Es dauerte aber noch bis weit in die 1960er Jahre, ehe das Erbe der einzelnen Gründungsgenossenschaften langsam verschwand. Eine ehemalige Mitarbeiterin erinnert sich noch heute an die lebhaften Generalsversammlungen, in denen vor allem die „Blauflescher" selbstbewusst und energisch ihre Standpunkte klarmachten und auch einem Streit nicht aus dem Weg gingen. „Dia wared scho b'sonders".

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