Mehrgenerationen als Lebensprinzip

Jutta Gauß wollte es noch einmal wissen. Mit dem Umzug ins Mehrgenerationenhaus im Ruländerweg hat die Seniorin ihrem Leben vor etwas über einem Jahr eine neue Wendung gegeben. Die Gemeinschaftsangebote kommen ihr sehr gelegen.

Gemeinschaftliches Kochen

Diese Küche ist nicht nur zum Präsentieren da, in dieser Küche wird auch wirklich gekocht, häufig und durchaus Deftiges. Nicht nur, wenn es Sauerkraut gibt, ist hinterher Volllüftung angesagt. Denn Türen zum Gang und zum Wohnzimmer gibt es nicht. Der Kniff verpasst der Zweizimmerwohnung mehr Großzügigkeit, erfordert auf der anderen Seite etwas mehr Disziplin. Könnte sonst ja Schimmel kommen.

In der gelegentlichen Mithilfe beim 14-tägigen gemeinschaftlichen Kochen besteht zugleich Gauß’ regelmäßiger Beitrag für die Hausgemeinschaft. Einmal habe sie selbst ein Weißwurst-Frühstück organisiert. Ihr Angebot eines Ausflugs ins Kleine Walsertal ist zu ihrem Bedauern mangels Interessenten dann aber nicht zu Stande gekommen.
Gerade darin besteht die Idee dieser Wohnform: sich in die Gemeinschaft einzubringen, etwa durch kleine Handreichungen. Man dürfe sich dies aber keinesfalls als drückende Belastung oder permanente Einsätze vorstellen, stellt die 87-Jährige klar. Sie wisse sehr wohl um die (falschen) Vorstellungen, die sich ums Mehrgenerationenwohnen rankten. Ihr Angebot etwa, auch mal auf ein Kind aufzupassen, sei noch nie in Anspruch genommen werden. Und doch ist etwas anders im Ruländerweg 2: „Man darf sich nicht isolieren.“

Wobei in dieser Aussage mehr ihre persönliche Lebenseinstellung durchblitzt. Der große Freundes- und Bekanntenkreis wird von der gebürtigen Ulmerin sorgsam gepflegt. Wenn der Seniorin danach ist, spendiert sie hausintern auch einmal eine Runde Piccolo. Auch das trägt dazu bei, die neuen Kontakte zu vertiefen.

Die Aussicht ist grandios

In der wärmeren Jahreszeit wird ihr der Balkon zum Wohnzimmer, ausgeschmückt mit Gartenkräutern und Geranien. Die Aussicht ist grandios, Schule und Kindergarten in unmittelbarer Nachbarschaft hätten bei einigen Bekannten skeptische Nachfragen ausgelöst. „Na und – wenn die Kinder mal herumtoben und ich Ruhe will, dann geh’ ich halt rein.“ Für sie gehöre das einfach dazu, erzählt Jutta Gauß und verrät dann im Laufe des Gesprächs auch noch ihr persönliches Zauberwort: „Toleranz.“

Nur einen Teil ihres Mobiliars hat die Mieterin in die neue Wohnung mitnehmen können. Geschnitzte Figürchen ebenso wie einschlägige Bücher künden vor ihrer großen Passion, dem Wandern im Allgäu. Die Sitzbank am Esstisch haben die Söhne fachgerecht etwas verkleinert. Der Tisch freilich lässt sich weit ausziehen. Denn die Tradition, dass sich die mittlerweile 13-köpfige Familie mitsamt Enkeln und Urenkeln an Weihnachten bei ihr zum Schmaus trifft, wurde selbstverständlich beibehalten. Das Mehrgenerationen-Prinzip hat hier, in der Familie, schließlich seinen Ursprung.

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